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Weil du arm bist

Moronga ist ein 600-Einwohner-Dörfchen in den „Kipengere Range“ genannten Bergen von Süd-West-Tansania. Es ist ein extrem armes Dorf. 40 Prozent der Grundschüler sind Halb- oder Vollwaisen. Alte Menschen sind überglücklich, wenn sie eine Wolldecke, ein Kilo Zucker, eine Stange Seife als Grundversorgung bekommen - eines der vielen Projekte, welches die örtliche Predigtstelle der ev.-luth. Kirchengemeinde Mang’oto mit Hilfe der deutschen Partnergemeinde, dem ev. Pfarrsprengel Ströbeck, betreibt.

Im Oktober 2017 besucht Pastor Hartmut Barsnick, der als Beauftragter Ströbeck Dienst tut, wieder einmal Moronga. In dem Kirchlein trifft er sich mit den Kirchenältesten, mit den Kindern der Krippe und ihrer Leiterin, mit der Selbsthilfegruppe von Witwen - und mit dem tüchtigen ehrenamtlichen Leiter der Ortsgemeinde, dem jungen Noshon Wbwilo, der zwar nie eine Ausbildung als Evangelist genossen hat, diese Funktion aber bravourös ausfüllt. Es ist nun mal ein überzeugter, engagierter Christ. Man ist sich einig, dass die freundschaftlichen Beziehungen Ströbeck-Moronga, also die Partnerschaftsarbeit, Projekte der Armutsbekämpfung beinhalten muss: jährliche Grundversorgung der Waisenkinder, Gebrauchtkleidung und Zucker für die Krippe, zinslose Darlehen für die Witwengruppe. Die Zusammenkunft wird mit Gebet und schwunghaftem Lied beendet.

Doch Nashon äußert noch einen Wunsch: Da ist ein kranker Mann, lass uns ihn bitte vor Deiner Abreise besuchen. Also fahren wir ca. einen Kilometer auf holpriger Lehmpiste ins Dorf hinein, soweit es geht, parken den Land Cruiser und stapfen noch ca. 100 Meter über enge Pfade bis zu einer Holzhütte, die den Namen „Haus“ nicht verdient. Aus ein paar rohen Schwarten zusammengezimmert. Wir treten in einen düsteren Raum ein, mit einem kleinen offenen dahinschwelenden Feuer in der Mitte und daneben einem Bett, auf dem unser Kranker sitzt, uns freundlich anlächelt, begrüßt und zum Sitzen auf zwei kleinen Hockern einlädt. Nashon stellt den deutschen Besucher vor und man betreibt ein wenig Small Talk, wie es hier Sitte ist. Aber recht schnell kommt das eigentliche Problem zur Sprache: ein total vereitertes Bein, ein deformierter Fuß, ein Bild des Elends. Kümmert sich die Diakonie Tandala um ihn und andere Behinderte in Moronga, fragt der Besucher. Nein. War er schon mal im gut geführten Krankenhaus „Consolata“ in Ikonda? Nein, kein Geld, die Busfahrt allein (35 km) kostet ja 4000 Schillinge (1,50 €). Da muss aber schleunigst etwas getan werden! Also wird vereinbart, dass dieser arme Mann zusammen mit Nashon schnellstmöglich nach Ikonda fährt. Für dieses Unternehmen wird die lächerlich kleine Summe von 30.000 Schillingen (12 €) überreicht, was der Kranke mit großer Dankbarkeit quittiert.

Als Barsnick im Mai 2018 wieder in Tansania angekommen war, erkundigte er sich sofort telefonisch bei Nashon: Wie geht es dem Kranken mit dem Beinproblem? Die erschütternde Antwort: Das Bein musste amputiert werden. Kurz danach ist er gestorben, mit 45 Jahren. Es war alles zu spät. Er war zu arm. Die Diakonie hat versagt. Und schließlich war er lebenssatt.


Nashon und Barsnick waren sich einig: Der Besuchsdienst muss ausgebaut werden, ein Fonds für Fahrtkosten zum Krankenhaus muss eingerichtet werden, die Partnerschaftsarbeit intensiviert werden. Dann gilt eines Tages nicht mehr: „Weil du arm bist, musst du früher sterben“.

Hartmut Barsnick

Weg in die Stadt

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